Donnerstag, 9. April 2009

Mit Damen am Tisch

Die meiste Zeit fühlte ich mich außen vor gelassen, unbeteiligt. Das war nicht weiter schlimm, ganz im Gegenteil. Ich fand meine Beobachterposition ziemlich spannend. Auf diese Weise konnte ich viel besser wahrnehmen, wie die beiden alten Damen, mit denen ich am Tisch saß, miteinander umgingen. Das war einen guten Teil der Zeit über recht amüsant. Oft redeten beide mehr oder weniger gleichzeitig. Ich frage mich, ob es wohl einen Unterschied gemacht hätte, wäre jede in einem anderen Raum gewesen. Zudem hörte Rosa, mit 85 die ältere der beiden, schlecht, ihr Hörgerät trug sie an dem Tag nicht (sie fand das Ding allgemein ziemlich nervig). Auch Maria, 83 und die jüngere Schwester, hatte nicht mehr das perfekte Gehör.

So erzählte also jede, was sie dieses Jahr im Garten anpflanzen würde, welches Gemüse in der letzten Saison besonders gut gewachsen sei, was sie von Kunstdünger hielt und an welcher Stelle im Garten die Erde am fruchtbarsten sei. Zwischendurch wechselten ihre kleinen Monologe immer wieder mal zu einem richtigen Gespräch. „Hä? Ja, Rosenkohl haben wir auch schon lange keinen mehr gesät, der kommt einfach nicht richtig“, meinte Maria, als Rosa erklärt hatte, sie verzichte dieses Jahr auf das Gemüse. „Ihr habt hier halt auch nicht den richtigen Boden dafür. Bei mir ist's immer ganz gut gewachsen, ich will mir aber die Mühe nicht mehr machen.“

Ich fand es beeindrucken, wie viel die beiden über Pflanzen und jeglicher Art wussten. Sie konnten sagen, welche Kräuter gegen welche Wehwehchen gut waren, welche Erde für welches Gemüse am geeignetsten war, wann welche Sorte gesät werden musste. Von Tierzucht und Kochkünsten möchte ich hier gar nicht anfangen.

Die Schwestern waren Bäuerinnen, Landkinder, von klein auf. Trotz ihrem hohen Alter arbeiteten sie noch draußen, kochten und putzten. Langsamer, ja, geistig aber wach wie eh und je.
Traurig ist, dass viel von diesem Wissen verloren gehen wird, obgleich beide einiges an ihre Kinder und Enkel weitergaben und -geben.
Womöglich faszinierte es mich auch deshalb so sehr, mit den Frauen an einem Tisch zu sitzen, ihnen zuzuhören. Weil ich wusste, dass derlei Gespräche buchstäblich aussterben.

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